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Die Vorzüge des Imkerns im angepassten Brutraum

(Anstelle des aus Zeitgründen ausgefallenen Fachvortrags am 17.11.2022)

Vorbemerkung: In meinem Fachvortrag beziehe ich mich auf Literaturstellen so erfahrener Imker wie Jürgen Binder und Bernhard Heuvel sowie auf Auszüge aus der Dissertation von Marco Kleinhenz.

Liebe Imkerfreundinnen und Imkerfreunde, im heutigen Fachvortrag soll es vor Allem um die Klärung solcher fachlicher Begriffe wie dem   kompakten Brutnest der Honigbienen und dem Angepasster Brutraum gehen. Dabei werden der Schied und das Schieden eine wesentliche Rolle spielen.

Das folgende Motto möchte ich dem Vortrag voranstellen: Wer immer nur tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist!               Henri  Ford  1883 – 1947

Wenn wir Imkerfreundinnen und Imkerfreunde von „unseren Bienen“ sprechen, dann meinen wir weniger die vielen Wildbienenarten, die sich im Sommer vor und in  unserem Insektenhotel getummelt haben und gewiß eine bedeutende Rolle im Naturhaushalt spielen, sondern viel mehr die Honigbienen, genauer gesagt: die Westliche Honigbiene mit der lateinischen Bezeichnung Apis mellifera und deren zahlreiche Unterarten.

Es gibt auch mehrere Arten der  Östlichen Honigbiene, latein. Bez. Apis cerana, auch Asiatische  Honigbiene genannt.  Apis Cerana gilt als ursprünglicher Wirt der parasitären Varroamilbe.                          

Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge stand die Wiege der Westlichen Honigbiene  sehr wahrscheinlich  auf dem  tropischen afrikanischen Kontinent . Von dort hat sie  sich erfolgreich über das urspünglich tropische Verbreitungsgebiet hinaus nach Süden bis Südafrika und nach Norden über Nordafrika, Süd- , West- und Osteuropa und nördlich der Alpen als Apis mellifera mellifera  oder Dunkle Biene bis ins südliche Schweden, in imkerlicher Haltung sogar bis zum Polarkreis, wo das Klima bekanntlich bedeutend kühler und die Winter sehr kalt und lang sein können, ausgebreitet.

Als wichtige Voraussetzung für eine so erfolgreiche Ausbreitung über das ursprüngliche tropische Verbreitungsgebiet hinaus wird vom österreichischen Bienenforscher RUTTNER (2003) die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung einer konstanten Nesttemperatur benannt, die den Honigbienen eine gewisse Unab-hängigkeit von den jeweiligen Umweltbedingungen sichert.

Insekten , Lurche und Kriechtiere sind u.a. sind wechselwarm....nur die Vögel und Säuger sind gleichwarme Tiere.

Wie haben die westlichen Honigbienen, die ja auch Insekten, also wechselwarme Tiere sind, es geschafft, soweit südliche und vor allem nördliche Gebiete mit Erfolg und seit tausenden von Jahren dauerhaft zu besiedeln?

  1. Als typische Höhlenbrüter leben die Völker von Apis mellifera natürlicherweise in Hohlräumen im Innern von alten Bäumen, Felshöhlen und alten Mauern. Wenn die Bienen einen geeigneten Nistplatz suchen (Schwärme), dann muß dieser Nistplatz ganz betimmte Kriterien erfüllen, wobei die Wärmedämmung der Höhle ein ganz wesentliches Kriterium sein dürfte. Das ist auch in tropischen Regionen von Bedeutung, denn Dämmung soll nicht nur vor Kälte schützten, sondern auch vor zu großer Hitze!   Die Honig-Bienen sind aber auch in der Lage, bauliche Unzulänglichkeiten der Bienenwohnung abzustellen, wozu sie Kittharz (Propolis) zur Abdichtung von Spalten und Ritzen einsetzen, aber auch zur Veränderung des Flugloches, was  in der Regel auf eine Verkleinerung!! des Flugloches hinausläuft.                                                         
  2. Das thermoregulatorische Verhalten der Bienen ermöglichen ihnen die Schaffung und die langfristige Aufrechterhaltung!! eines günstigen Mikroklimas im Bienenstock.

Thermoregulatorisches Verhalten (was ist gemeint?) z.B.

a)- Muskelzittern der Flugmuskulatur zur aktiven Wärmeerzeugung (Heizerbienen),

b)- das Fächeln zur Erzeugung von Luftströmen zur Kühlung und Entfeuchtung,

c)- die Ausbreitung von Wasserfilmen zur Nutzung der Verdunstungskälte.

Fazit: Die Temperatur im Innern der Nisthöhle wird mit einer Genauigkeit reguliert, die mit der Homöostase von Säugetieren und Vögeln verglichen wird.

Homöostase (deutsch ‚Gleichstand‘)   Hier ist in erster Linie die Fähigkeit der Honigbienen zur Aufrechterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur von +35°C im Brutnest gemeint.

Bei der Betrachtung der Temperaturverhältnisse im Bienenstock ist zwischen den Bedürfnissen der adulten Tiere im brutlosen Volk und jenen der Brut zu unterscheiden.

Adulte Bienen im brutlosen Volk
Im Gegensatz zu den heimischen Hummeln  und Faltenwespen bilden Honigbienen mehrjährige, potentiell unsterbliche  Kolonien von bis zu 40-60 000 Individuen an einem bestimmten Nistplatz aus. Bei den Hummeln und Wespen überwintern  nur die Königinnen in einer Kältestarre im Boden. Bei Apis mellifera  überdauert ein gesamte Volk mit etwa 10-15 000 Individuen die ungünstige Jahreszeit in der einmal bezogenen Wohnhöhle. Neben den niedrigen Außentemperaturen ist diese Zeit durch einen starken Rückgang des Nahrungsangebots (Pollen und Nektar) geprägt, den die Bienen aus ihren Vorräten kompensieren müssen.
Im brutlos überwinternden Volk wird die Temperatur auf niedrigem Niveau von ca. 20-21°C im Zentrum der Bienentraube gehalten und mit tageszeitlichen Schwankungen bis zu    10 °C reguliert.  Gewisse Mindesttemperaturen dürfen aber nicht unterschritten werden. Bei Umgebungstemperaturen von 9 -11 °C fallen die Bienen zunehmend in eine Kälte-starre. Bei diesen niedrigen Temperaturen können die Flugmuskeln keine Aktionspoten-tiale mehr generieren, so dass auch das erneute aktive Aufwärmen des Körpers durch Muskelzittern unmöglich wird.

Die Temperaturen im Brutnest

Apis mellifera  reguliert die Temperatur des Brutbereichs zwischen 33 und  36 °C . Unter experimentellen Bedingungen wird dieser Temperaturbereich auch bei extrem ungün-stigen Außentemperaturen von -20 °C noch mehrere Tage aufrechterhalten, bei -80 °C immerhin noch mehrere Stunden.

In dem aus mehreren parallel angeordneten Waben bestehenden Waben-Bau wird der Brutbereich in der Natur immer kompakt angelegt!!!

Nochmals: Unter natürlichen Bedingungen wird das Brutnest der Honigbienen immer kompakt angelegt. Wer das nicht beachtet und wer das Brutnest absichtlich zerreißt, begeht einen schwerwiegenden imkerlichen Fehler, weil er die Thermo-regulation des Brutnestes empfindlich stört oder gar unmöglich macht.     Eine  Binsenweisheit?

Bernhard Heuvel äußert sich zum angepassten Brutraum, Wabenfläche und Brutumfang wie folgt:

„Ein beliebter Irrtum bei Imkern  ist die Annahme, daß mehr Wabenfläche automatisch zu mehr Brut führt (z.B. Erweiterung durch Zugabe von Mittelwänden). Das ist nicht der Fall. Die Bienenvölker werden auch nicht automatisch „ größer“, wenn man sie in  größere  Beuten steckt oder mit Mittelwänden erweitert.

Die Begründung ist relativ einfach: Kann jemand schneller laufen, wenn er sich größere Schuhe anzieht?! Die Antwort ist selbstverständlich „Nein“, denn größere Schuhe (oder im gegenteiligen Fall kleinere Schuhe) behindern einen beim Laufen eher, als das sie helfen. Und genau so ist es auch bei der Bienenwohnung.

Eine zu große oder zu kleine Bienenwohnung ändert nichts an dem Umfang der Brut, weil die Königin immer die gleiche Königin mit den gleichen physikalischen und genetischen Eigenschaften bleibt, mit dem gleichen Körper.

Die Eine Königin legt bis zu 1.000 Eier am Tag, die andere vielleicht 2.000 Eier am Tag, eine ganz andere Königin vielleicht 3.000 Eier am Tag. Das hat in erster Linie überhaupt nichts mit der Bienenwohnung, sondern mit der Genetik, mit der Ernährung während der Entwicklung zur Königin und mit den Aufzuchtbedingungen der Jung-Königin zu tun. Die Königin ändert sich nicht, wenn man sie in eine andere Kiste steckt. Jedes Lebewesen besitzt einen unterschiedlich großen Körper“. 

Was ist eigentlich der Körper der Honigbienenvolkes, der Körper  des Biens?

Der Körper der Honig-Bienen ist ihr Wabenbau und der besteht aus Bienenwachs!

Dieser Wabenbau muss zum Bien/zum Bienenvolk passen, damit der Bien optimal funktionieren kann.

Ein zu großer Wabenbau behindert genauso wie ein zu kleiner Wabenbau. Einen Standardkörper  des Biens gibt es daher nicht. Konzepte wie Deutschnormal oder Zander oder 1 ½ DNM oder Dadant oder Langstroht, bei denen Bienenvölker auf immer gleich große Einheiten gebracht werden, sind unbiologisch und gegen Lebewesen gerichtet. Biologisch richtig ist es, die Bienen als Lebewesen in ihre Körper hineinwachsen zu lassen.

Zitat Heuvel: „Leider haben die sogenannten Bienenretter heutzutage keine Gelegen-heit, die neuesten Entwicklungen bezüglich des angepassten Brutraums mitzuer-leben, weil sie sich dogmatisch von jeglicher anderer Art und Weise der Imkerei abwenden. Hier entsteht aus purem Trotz eine ablehnende Haltung – und das völlig grundlos. Denn von Bienen begeistert sind wir doch alle, und alle wollen die Bienen auch erhalten. Wer sich verschließt, bekommt eben nicht mit, daß Bienenbiologie richtig verstanden, auch auf die Imkerei angewandt werden kann.

Normalerweise müsste für jedes Bienenvolk eine eigene Kiste gebaut werden, damit die passende Größe des Bienenkörpers darin aufgenommen werden kann. Das ist aber unpraktisch. Daher war der Gedankengang von Bruder Adam völlig richtig: eine Kiste bauen, in der auch das größte Bienenvolk im Sommer wie im Winter hinein passt.

Die Anpassung an das Bienenvolk und auf die jeweilige Königin  erfolgt dann über den Schied,   der im Englischen besser bezeichnet ist als: follower board.    Also ein Brett, das folgt.

Ein Schied, der Schied trennt Dinge voneinander (deshalb auch oft als Trennschied bezeichnet). Das ist beim „Schied“ der Imker, erst recht beim Thermoschied im Bienenvolk nicht so. Sowohl die Königin als auch Drohnen    und die Arbeiterinnen können ohne Weiteres den Schied über- oder unter- oder seitlich umlaufen. Jedenfalls können wir das Brutnest dem Wabenkörper des Bienenvolkes anpassen und erfahren dadurch signifikant gesündere Bienenvölker! Das liegt an verschiedenen Mechanismen, wie Wärmeerhalt, Energiehaushalt, Fettkörper der Bienen und so weiter. Salopp gesagt: zu große und zu kleine Schuhe hindern beim Laufen. Passende Schuhe erleichtern es. Es gibt also mehr Möglichkeiten als Stabilbau, um den Körper an den Bien anzupassen. Und: mehr Wabenfläche führt nicht automatisch zu mehr Brut. Das ist völlig unsinnig, wenn man darüber nachdenkt, weil die EINE Königin eine natürliche Kapazität hat, die sie körperlich nicht überschreiten kann.

Aber eine ANDERE Königin kann dazu in der Lage sein. Der Vorwurf muss also heißen: standardisierte Lebewesen gibt es nicht. Lasst die Bienen den Körper beziehen, den sie brauchen.

(Letzter Satz)   Dafür benötigen Imkerinnen und Imker viel Wissen über unsere Bienen und manchmal muß man auch umdenken.“ (Zitatende)  

Zum Abschluß noch ein Zitat:

August Baron von Berlepsch, 1869 (vor 153 Jahren): „Vor allem aber lernt die Theorie, sonst bleibt Ihr praktische Stümper Euer Leben lang“.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst-Joachim Steiner